Daniel Gruß – InformatikerInnen-Kurzinterviews

Als frisch promovierter Informatiker arbeitet Daniel Gruß als Lektor/wissenschaftlicher Mitarbeiter/Postdoc am Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie der TU Graz. Seine Forschungsschwerpunkte in der IT-Sicherheit sind Hacker-Angriffe, die trotz korrekter und fehlerfreier Software, aufgrund der Seiteneffekte der Hardware, durchgeführt werden können.

Woran arbeiten Sie zur Zeit? 

Wir verwenden heutzutage eigentlich rund um die Uhr Software. Diese Software muss natürlich sicher sein gegen Angreifer, die beispielsweise die Kontrolle über mein Gerät übernehmen könnten (Stichwort Ransomware, z.B. WannaCry), mein Gerät für Angriffe missbrauchen (sogenannte Botnetze) oder einfach nur meine Daten ausspionieren wollen (wer ich bin, wo ich wohne, was ich mir im Internet anschaue, etc.).
Auf der Abstraktionsebene der Software nimmt man an, dass die Hardware genau so funktioniert wie es gedacht ist, dass es keine Seiteneffekte gibt und auch keine Manipulation durch Seiteneffekte möglich ist.
In der Realität sieht dies oft anders aus. Tatsächlich hinterlässt alles, was wir auf einem Computer machen Spuren, ähnlich wie man im Winter Fußspuren im Schnee hinterlässt. Ein Angreifer kann nun anhand dieser Spuren zurückverfolgen, was der Computer gemacht hat und so zum Beispiel Passwörter ausspionieren.
Noch gravierender:  Durch verwandte Seiteneffekte kann sogar der Speicher beispielsweise durch eine Webseite unbefugt verändert werden, so dass ein Angreifer die volle Kontrolle über das System erlangt.
Hier ergeben sich einige interessante und derzeit noch ungelöste Fragestellungen, wie zum Beispiel die Erforschung der Möglichkeiten, die ein Angreifer hier ausschöpfen kann, sowie effektive und praktikable Gegenmaßnahmen um derartige Angriffe zu verhindern.

Was ist für Sie Informatik? 

Informatik, oder wie es auf Englisch heißt, Computer Science, ist die Wissenschaft, die sich mit Fragestellungen, die rund um Computer entstanden sind, auseinandersetzt. Der vermutlich wesentlichste Kernaspekt ist die Automatisierung und Durchführung von Arbeiten, die zuvor gar nicht praktikabel waren oder durch einen Menschen durchgeführt wurden mussten. Die Informatik dreht sich hier um Fragen wie man einen Computer baut, wie Programmiersprachen und Algorithmen beschrieben werden, aber geht auch schnell in Richtungen, die andere Wissenschaften berühren. Beispielweise in Richtung der Mathematik, um mit mathematischen Konstrukten sichere Verschlüsselungsverfahren zu entwickeln oder um die mathematisch formale Korrektheit eines Algorithmus zu beweisen. Oder auch in Richtung der Gesellschaftswissenschaften, wenn die sozialen Auswirkungen der schnell voranschreitenden Digitalisierung betrachtet werden.

Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann? 

Die Informatik und mit ihr die Digitalisierung und Vernetzung (das Internet) ermöglichen eine gesellschaftliche Teilhabe und uneingeschränkte Kommunikation in einer nie dagewesenen Form. Welche die Herausforderungen der Gegenwart sind, ist wohl eine politische Frage – die Informatik ermöglicht eine Automatisierung in jegliche Richtung. Ein Beispiel: Mit autonomen Fahrzeugen machen wir den Straßenverkehr sicherer, da Computer nicht müde oder krank werden, ein autonomes Fahrzeug wäre wohl auch nicht durch den Einfluss von Medikamenten oder Alkohol fahruntüchtig  und – ein autonomes Fahrzeug kann immer fahren. Hierbei sind die Reaktionsfähigkeiten so signifikant besser als die eines Menschen, dass die Sicherheit im Straßenverkehr deutlich verbessert werden kann. Die Informatik bringt gleichermaßen Komfort und reduziert auch die Umweltkosten: Emails sind nicht nur schneller zu bearbeiten und zu verschicken, das Verschwinden der Briefpost hat weitreichende Auswirkungen. Mit Streaming-Diensten, die durch die Ergebnisse der Informatik ermöglicht werden, verschwindet die Notwendigkeit physikalischer Speichermedien sowie deren Transport. Die Informatik bietet aber auch (leider) Techniken um die Privatsphäre von Menschen komplett auszuhöhlen.
In jedem Fall aber schafft die Informatik die Grundlage um menschliche Tätigkeit zu automatisieren und dies wirft gleichermaßen gesellschaftspolitische Fragen auf wie es andere Herausforderungen löst.

Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt? 

In der Informatik ist es essentiell zu verstehen was auf der nächst-niedrigeren Abstraktionsebene passiert, um richtig effektiv zu arbeiten. Um ein gute Programme zu entwickeln, muss ich verstehen was das Betriebssystem darunter macht. Um ein gutes Betriebssystem zu entwickeln, muss ich verstehen was die Hardware darunter macht. Man muss verstehen, ob die niedrigeren Abstraktionsebenen tatsächlich so funktionieren, wie es gedacht ist.

Im Allgemeinen sind die Methoden der Informatik oft außerhalb der Informatik anwendbar und hilfreich. Dies kann beispielsweise ein Algorithmus sein, den man beim Sortieren von Unterlagen anwendet.

Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden? 

Mich treibt die Faszination für Digitalisierung und dafür, dass ein Computer komplexe Aufgaben erledigt, an. Die wichtigste persönliche Voraussetzung ist die Begeisterung für die Thematik. Wenn man auch als Hobby mal was programmiert hat, dann ist man hier genau richtig. Im Studium gibt es natürlich Lehrveranstaltungen die einen weniger interessieren oder die einem schwerer fallen, aber wenn man die Begeisterung für die Thematik mitbringt, hat man die besten Voraussetzungen, ein exzellentes Studium abzulegen.

Ich arbeite äußerst gerne mit Studierenden bei ihrer Bachelorarbeit zusammen, auch schon im 4. oder 5. Semester. Studierende sind hier noch unvoreingenommen und haben keinerlei Bedenken sich an schwierige Themen heranzutasten, auch weil sie noch nicht den Überblick gewonnen haben, welche Themen schwierig sind. Diese Unvoreingenommenheit ist sehr viel wert und wenn man diese lange bewahrt, wird man im Studium ganz sicher Erfolg haben. Als Betreuer nutze ich diese Chance, um die Studierenden an schwierigen aber lösbaren Problemen im Rahmen ihrer Bachelorarbeit arbeiten zu lassen. Die Fähigkeit auch bei komplexen Aufgaben zu sagen „Ich probier das jetzt einfach mal aus“, das ist vermutlich eine der wichtigsten Kompetenzen im Informatik Studium  und glücklicherweise beobachte ich diese auch immer wieder bei guten Studierenden.

Was fehlt der Informatik in Österreich? 

Wir sind in der Informatik schon in einer guten Situation mit international bedeutsamen Arbeiten. Auch in der universitären Lehre bewegen wir uns in einem guten Rahmen, der exzellente Studierende hervorbringt. An was es noch ein wenig mangelt, ist an manchen Stellen der Mut und die Ambition in der Lehre sich mit den besten Universitäten international zu messen. Gerade in der Informatik sind die technischen Möglichkeiten gegeben, die es uns erlauben exzellente Lehre für Studierende auf dem Niveau der besten Universitäten international – und sogar darüber – anzubieten.

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