Alexander Meschtscherjakov – InformatikerInnen-Kurzinterviews

Alexander Meschtscherjakov ist Assistenzprofessor an der Universität Salzburg. Er leitet das Car Interaction Lab am Center for Human-Computer Interaction. Seine Forschungsschwerpunkte sind Automotive User Interfaces, Persuasive Technologies und User Experience.

Woran arbeiten Sie zur Zeit?

Mein Fachgebiet ist Human-Computer Interaction (HCI), also jener Teilbereich der Informatik, der sich damit beschäftigt, wie Menschen mit Technologien interagieren.

Bei der HCI geht es darum, den Menschen ins Zentrum der Entwicklung von Informationsverarbeitenden Systemen zu stellen. Man muss den Menschen und seine Bedürfnisse verstehen, um interaktive Systeme zu entwickeln, die nicht nur die Usability des Systems (Benutzerfreundlichkeit) optimieren, sondern die gesamte User Experience (Nutzererlebnis) positiv gestalten. Dazu benötigt es neben der Informatik Theorien und Methoden aus unterschiedlichen Disziplinen wie beispielsweise der Psychologie, des (Interaktions-)Designs oder der Kommunikationswissenschaften. In diesem Sinne ist HCI ein interdisziplinäres Fachgebiet mit starken Wurzeln in der Informatik.

Ich persönlich beschäftige mich derzeit mit der Interaktion von FahrerInnen mit ihren Fahrzeugen und wie sich diese Interaktion durch den Einsatz von Fahrerassistenzsystemen bzw. mit der Einführung von autonomen Autos auf die User Experience auswirkt.

Ein weiterer Teil meiner Forschung beschäftigt sich mit Persuasiven Technologien, also damit, wie man interaktive Systeme nutzen kann, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Die Informatik hilft mir dabei, Nutzerverhalten zu messen, zu analysieren und in einer geeigneten Art und Weise aufzubereiten, um Nutzern die Möglichkeit zu geben, mit ihren eigenen Daten (bzw. auch den aggregierten und anonymisierten Daten von anderen) zu interagieren.

Was ist für Sie Informatik?

Informatik ist für mich eine Wissenschaft, die sich systematisch mit dem Gewinnen, Übertragen, Analysieren, und Darstellen von Daten beschäftigt. Ihr Fundament ist die Mathematik. Sie bietet einen reichhaltigen Theorien- und Methodenpool, um die Welt besser zu verstehen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, zu reflektieren und zu kommunizieren. Sie bietet Menschen die Möglichkeit, mit einer immensen Datenvielfalt zu interagieren. Das wäre ohne Informatik nicht möglich.

Informatik durchdringt sämtliche Bereiche unseres Lebens und hat uns Menschen und unseren Blick auf die Welt in den letzten Jahrzehnten nachhaltig verändert. Erfindungen wie das Internet, Handys oder Tablets wären ohne Informatik nicht möglich gewesen. Man bedenke den Einfluss der Informatik auf Bereiche wie unser Gesundheitswesen, unser Geschäftsleben, die Industrie, unser Mobilitätsverhalten, unser Kommunikationsverhalten, unsere Art, uns zu unterhalten und uns unterhalten zu lassen, oder auf den Einsatz von Informationstechnologien im Bildungsbereich.

Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann?

Nachdem uns die Informatik in beinahe sämtlichen Teilbereichen unseres Lebens begleitet, hat sie das Potenzial, uns bei sehr vielen Herausforderungen der Gegenwart zu helfen. Die Informatik ermöglich es uns, Daten in einem bisher undenkbaren Ausmaß zu sammeln und zu verarbeiten. Wenn es uns gelingt, effiziente Algorithmen zur Fusion und Interpretation dieser Daten (Stichwort: Big Data) zu entwickeln, dann kann dies dem einzelnen Individuum bei seinen Herausforderungen helfen (z.B. gesünderes Leben, effizienteres Lernen, verbesserte Kommunikation), aber auch einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Smart Grids ermöglichen es uns, unseren Energieverbrauch effizienter zu gestalten, autonome Fahrzeuge werden unser Mobilitätsverhalten nachhaltig ändern, Roboter werden uns in der Fabrik und im Alltag unterstützen. Bei all diesen Herausforderungen wird der Informatik eine essenzielle Rolle zu kommen.

Wobei die Entwicklung solcher Systeme selber wieder Herausforderungen hervorruft, wie beispielsweise das Adressieren von Safety- und Security-Belangen etwa durch das Erforschen geeigneter Kryptographie-Methoden, oder das Entwickeln schnellerer Algorithmen, um Berechnungen in Echtzeit durchführen zu können. Daraus ergeben sich auch ethische Fragestellungen.

Eine weitere Herausforderung in der Informatik wird es sein, Programme, ihr Verhalten und ihre Auswirkungen zu verstehen (denn das ist nicht immer der Fall) – insbesondere, wenn man auf dem Code anderer aufbaut.

Aus HCI-Sicht besteht die Herausforderung darin, Systeme so zu gestalten, dass sich die Interaktion mit diesen Systemen für den Menschen effektiv, effizient und zufriedenstellend gestaltet. Aktuelle Herausforderungen sind beispielsweise Multimodal Interaction, Natural Interaction, oder Tangible User Interfaces. Am Center for HCI in Salzburg beschäftigen wir uns vor allem mit „Contextual Interfaces“, also mit Benutzerschnittstellen in besonderen Umgebungen (z.B. dem Auto oder der Fabrik) und einer geeigneten Interaktion, die sich dem Kontext und dem Menschen optimal anpasst.

Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt?

Im Laufe meines Lebens hat sich nicht nur die Informatik selber stark verändert, sondern die Informatik hat auch die Welt, in der wir leben, stark verändert. Haben sich früher vor allem InformatikerInnen mit dem Programmieren beschäftigt und das WWW genutzt, so ist der Zugang zu Internet und sozialen Medien heute schon für Kinder alltäglich, und VolksschülerInnen lernen mit Entwicklungsumgebungen wie Scratch umzugehen.

Ein immer interessanterer Teilbereich der Informatik ist Physical Computing, also das Einbinden von Sensoren und Aktuatoren in die Interaktion – das geht über die Interaktion mit Maus, Tatstatur, Bildschirm und/oder Touchscreen hinaus. Auch hier gibt es Tools, die so einfach zu bedienen sind, dass schon Kinder damit umgehen können (Stichworte Arduino, Raspberry Pi, LilyPad).

Gerade aus Interaktionssicht ergeben sich hier sehr viele Möglichkeiten, die Interaktion für Nutzer einfacher und natürlicher zu gestallten. Durch die Durchdringung der physikalischen Welt mit Computing Technology (Ubiquitous Computing) und durch neuartige Möglichkeiten der Interaktion (z.B. Mixed Reality oder Brain-Computer-Interfaces) wird InformatikerInnen auch in den kommenden Jahren sicher nicht langweilig.

Ich persönlich habe gelernt, dass Informatik weit mehr ist, als das Verarbeiten von Bits Bytes, und dass interdisziplinäres Denken und kooperatives Handeln im Team ein wesentlicher Bestandteil der Informatik ist.

Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden?

Es gibt zahlreiche Gründe sich für ein Informatikstudium zu entscheiden. In erster Linie, weil es ein ungemein interessantes und vielfältiges Themengebiet ist. Nachdem sich Studierende die Basics erarbeitet haben, eröffnet sich ein mannigfaltiges Portfolio an Anwendungsgebieten, von der theoretischen Informatik über Netzwerke, Datenbanken, Bildverarbeitung, Simulation bis hin zur Human-Computer Interaction. In der Informatik geht es nicht nur darum, Apps zu nutzen, sondern zu verstehen, wie sie funktionieren und selber Programme und Systeme zu designen und zu entwickeln. Darüber hinaus bieten sich InformatikerInnen eine Vielzahl an Berufs- und Karrieremöglichkeiten, und der weltweite Bedarf an guten InformatikerInnen wächst stetig.

Im Informatikstudium erwartet Studierende eine Portion Mathematik, die Möglichkeit, mit unterschiedlichsten datenverarbeitenden Systemen zu arbeiten, und die Zufriedenheit, die sich einstellt, wenn sich ein System tatsächlich so verhält, wie man es sich vorgestellt hat (hoffentlich).

Gute Studierende sind neugierig und ausdauernd, streben nach Wissen, denken analytisch, können abstrahieren, arbeiten akribisch, können Informationen aus verschiedensten Teilbereichen zusammenführen und Neues daraus generieren, und können vor allem eines gut: in einem Team zusammenarbeiten.

Was fehlt der Informatik in Österreich?

Der Informatik in Österreich fehlen fehlt es an finanzkräftigen InvestorInnen, die ein Umfeld schaffen, dass es den zweifellos vorhandenen klugen Köpfen bei uns ermöglicht, ihre Visionen zu verwirklichen, ohne schon am Anfang zu wissen, wohin die Reise gehen wird. InformatikerInnen in Österreich machen hervorragende Arbeit, aber es fehlt das Mindset, hier Dinge auch groß zu denken. Dies gelingt nur, wenn ein entsprechendes Umfeld geschaffen wird, welches eine entsprechende kritische Größe hat.

Dazu müssen wir bereits in den Schulen beginnen, den Nachwuchs an die Informatik heranzuführen. Informatik müsste viel stärker in den Schulunterricht integriert werden. Darüber hinaus muss die Möglichkeit der Kooperation gefördert werden – sowohl national als auch international. Schwerpunkte müssen gesetzt werden. Ein kleines Land wie Österreich wird nicht in jedem Teilgebiet der Informatik groß werden, aber wenn wir es schaffen, ein paar Leuchttürme der Informatik in Österreich zu errichten, dann wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung.

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