Roman Kern – InformatikerIn der Woche

Roman Kern forscht am Institut für Wissenstheorien der TU Graz und ist Leiter des Bereichs Knowledge Discovery am Grazer Know Center. Schwerpunkt dabei ist die Erforschung automatisierter Methoden zur Analyse, Verknüpfung und Anreicherung komplexer Datenquellen.

(c) Know Center

Woran arbeiten Sie zur Zeit?

Zusammen mit meinem Team von rund 15 Personen, das ich leite, arbeite ich daran, eine Reihe von Themenfeldern der Informatik zu verbinden. Konkret sind das die Erforschung und Entwicklung von Algorithmen in den Bereichen Information Retrieval (Suchtechnologien), Natural Language Processing (Computerlinguistik), Maschinelles Lernen (Lernalgorithmen) und Data Analytics (Datengetriebene Analysen). Die gemeinsame Klammer um diese Themen kann am besten mit dem Hype-Begriff „Big Data“ beschrieben werden, d.h. es geht um Algorithmen, die auch auf große Datenmengen angewandt werden können.

Was ist für Sie Informatik?

Informatik kann für mich aus verschiedenen Perspektiven aus betrachtet werden:

  1. Informatik ist für mich ein gutes Beispiel für eine Ingenieurswissenschaft, d.h. sie verbindet Wissenschaft und Anwendung
  2. Informatik hat eine Querschnittfunktion, ist also inhärent interdisziplinär. Typischerweise werden Informatik-Lösungen im Kontext von anderen Disziplinen umgesetzt, ein Beispiel dafür ist etwa Bioinformatik
  3. etwas kontroversiell: Ich sehe Informatik gerne als Verallgemeinerung von Mathematik, beispielsweise kann man die mathematische Notation als eine Ausprägung/Spezialisierung einer Programmiersprache ansehen.

Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann?

Wenn man sich die Grand Challenges der EU ansieht (die in den Horizon 2020-Programmen formuliert sind), dann wird man auf den ersten Blick keine Informatikthemen finden, dort stehen beispielsweise Gesundheit, Klimawandel, Nahrungsmittelsicherheit usw im Vordergrund. Wenn man aber genauer hinsieht, dann wird klar, dass nahezu alle Herausforderungen auch einen Informatik-Anteil beinhalten. Beispiele sind die Unterstützung des Gesundheitssystems durch elektronische Daten oder digitale Analyseverfahren in Fragestellungen des Klimawandels.

Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt?

Kurzfassung: Probleme lösen.

Langfassung: In der Informatik ist man sehr oft damit konfrontiert, dass man Probleme lösen muss, die sehr häufig sehr komplex sind. Dazu kommt, dass diese Probleme oft unterspezifiziert sind, d.h. man soll eine Lösung für etwas finden, von dem man nicht genau weiß, wie das Problem aussieht und wie eine etwaige Lösung aussehen könnte. Dennoch soll man, bevor man mit der Problemlösung angefangen hat, eine Aussage treffen, wie lange die Lösungsfindung dauern wird. Konkret lernt man, wie man an komplexe Probleme herangeht, beispielsweise durch Abstraktion (Modellbildung) oder durch Zerlegen des Problems in Teilprobleme.

Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden? 

Informatik ist speziell für jene StudentInnen interessant, die ihre Stärken sowohl im Bereich der analytischen Intelligenz als auch der kreativen Intelligenz sehen. Zusätzlich ist die Fähigkeit zum strukturieren Vorgehen notwendig – verkürzt könnte man auch sagen, dass Informatik für jene interessant ist, für die Mathematik zu abstrakt oder zu wenig angewandt erscheint. Nachdem in der Informatik – aufgrund der komplexen Aufgabenstellungen – zumeist in (intradisziplinären) Teams gearbeitet wird, ist entsprechend die Freude, mit anderen zusammenzuarbeiten und zu kommunizieren, von Bedeutung.

Was fehlt der Informatik in Österreich?

Hier sehe ich vor allem zwei Punkte als Verbesserungspotenzial an:

  1. öffentliche Sichtbarkeit und
  2. Konkret fehlt es in Österreich in weiten Teilen am Verständnis der Rolle der Informatik. Zum Punkt Fokussierung wäre es wünschenswert, wenn es eine zentrale Kernkompetenz für den Forschungsstandort Österreich gäbe, in dem wir als internationale Spitze angesehen werden.